Teilprojekt im Verbund-Forschungsprojekt NANoSoGT - Normative Assessment of Novel Somatic Genomic Therapies (BMBF)

Philosophisch-ethisches Teilprojekt des Verbund-Forschungsprojekts „NANoSoGT - Normative Assessment of Novel Somatic Genomic Therapies“ (Normative Analyse neuer somatischer genomischer Therapien)

Beteiligte im Teilprojekt Philosophie/Ethik

Wissenschaftlicher Leiter

Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Heinemann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Johanna Risse, M.A.

Wissenschaftliche Hilfskräfte

Merlin Krzemien, B.A.

Jan Schnalke, B.A.

Vorhabenbeschreibung

Mit der Genschere CRISPR/Cas lassen sich einzelne Gene innerhalb eines komplexen Genoms mit hoher Präzision und Effizienz verändern. Darüber hinaus erlauben dieses und andere neue Verfahren, die Expression von Genen auf verschiedenen Ebenen gezielt zu beeinflussen. Waren erste Anwendungen einer somatischen Gentherapie mithilfe viraler Genfähren in den 1990er Jahren mit schweren Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen belastet, könnten mit solchen neuen somatischen genomischen Therapien (SGT) revolutionäre Entwicklungen für die Medizin verbunden sein. Allerdings werfen diese neuen Möglichkeiten auch zahlreiche ethische und rechtliche Fragen auf.
Solche Fragestellungen wird das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte interdisziplinäre Verbund-Forschungsprojekt NANoSoGT systematisch analysieren und bearbeiten. Hierzu gehört das am Institute for Medical Humanities des Universitätsklinikums Bonn angesiedelte philosophisch-ethische Teilprojekt, das wissenschaftlich von dem Ethiker und Arzt Professor Thomas Heinemann geleitet wird. In zwei weiteren Teilprojekten sind außerdem beteiligt ein Team um den Mediziner und Zellbiologen Professor Tobias Cantz am REBIRTH Forschungszentrum für translationale regenerative Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover sowie eine Gruppe um den Juristen Professor Hans-Georg Dederer an der Universität Passau, der zudem das Forschungsvorhaben koordiniert. Das BMBF stellt hierfür 1,2 Millionen Euro für eine Laufzeit von drei Jahren zur Verfügung.
Im Rahmen des Verbundprojekts erforschen die beteiligten Wissenschaftler:innen disziplinenübergreifend u.a. folgende Aspekte:

  • Fragen der Klassifizierung: Moderne somatische genomische Therapien (SGT) verändern nicht notwendig die Struktur eines Gens, sondern können seine Expression beeinflussen. Damit stellen sich Fragen nach dem Begriff und der Funktion des Genoms, ferner nach zentralen Begriffen des ärztlichen Handelns wie z.B. dem der Therapie. Zudem ist zu untersuchen, inwiefern sich SGT in das geltende rechtliche Regelwerk einordnen lassen.
  • Fragen der Wettbewerbsfähigkeit der EU und Deutschlands als Forschungs- und Industriestandort: Es wird untersucht, wie die neuen Verfahren in anderen Ländern, etwa in den USA, in Kanada, Großbritannien und Japan, rechtlich geregelt werden und welche ethischen Überlegungen diesen Regelungen zugrunde liegen. Welche solcher Bestimmungen sind notwendig und welche Abweichungen hierzu lassen sich im deutschen und europäischen Recht identifizieren? Welche Rolle spielen darüber hinaus Vertrauen und Akzeptanz der Öffentlichkeit gegenüber Gentherapien für den Standortwettbewerb?
  • Fragen der Fairness: Die Behandlung mit Methoden der SGT stellt eine für einzelne oder wenige Patient:innen individuell maßgeschneiderte, sogenannte personalisierte Medizin dar, deren Kosten sich auf über eine Million Euro pro Patient:in belaufen können. Wer erhält Zugang zu einer solchen Therapie? Welche genetischen Krankheiten sollen überhaupt therapiert werden und wer entscheidet darüber? Und inwiefern ist es zu rechtfertigen, die Forschung primär auf die Bedarfe europäischer Ethnien und ihrer typischen  Genome  auszurichten und andere Teile der Weltbevölkerung möglicherweise außer Acht zu lassen?
  • Fragen der Sicherheit: Zwar gelten die neuen genomischen Verfahren als wesentlich sicherer als ihre Vorgänger, doch auch hier sind Fehler bei der molekularen Interaktion und unerwünschte Effekte möglich. Was bedeutet Sicherheit im Zusammenhang mit SGT? Wie ist eine personalisierte Medizin zu rechtfertigen, wenn eben wegen der Personalisierung keine klassischen klinischen Prüfungen durchführbar sind? Wie lassen sich solche Fälle regulieren, insbesondere dann, wenn es sich um Fehlschläge bei der Anwendung somatischer Gentherapien beim Fötus im Mutterleib handelt?
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