Geschichte und Entwicklung des Instituts

Die Anfänge der Medizingeschichte in Bonn

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Bild von Portrait von Carl Schmiz © Rolf Müller/UKB

Früh wurde an der Bonner Universität Geschichte der Medizin gelehrt, so beispielsweise schon durch den Naturphilosophen und Professor der Physiologie Karl Joseph Hieronymus Windischmann (1775-1839), der von 1818 – dem Gründungsjahr von Universität und Medizinischer Fakultät – bis zu seinem Tod 1839 auf diesem Gebiet aktiv war. In den Folgejahren wurde Medizingeschichte zumeist durch Lehrbeauftragte unterrichtet, zuletzt durch Carl Schmiz (1877-1946), der von 1920 bis 1942 wirkte. 

Die Gründung des Instituts für Medizingeschichte in Bonn erfolgte jedoch erst 1943. Zurückzuführen ist sie auf Johannes Steudel (1901-1973). Er promovierte nach dem Studium der Klassischen Archäologie, Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie 1923 mit einer archäologischen Arbeit zum Dr. phil. und gelangte durch sein Interesse für Altertumswissenschaften zur Medizingeschichte. Von 1935 bis 1941 war er neben seinem Studium der Medizin am Leipziger Institut für Geschichte der Medizin tätig, das Karl Sudhoff (1853-1938) als das weltweit erste seiner Art im Jahr 1906 gegründet hatte. Dieses später nach seinem Gründer benannte Leipziger Institut leitete seinerzeit Walter von Brunn, als Steudel sich dort als wissenschaftlicher Assistent 1943 habilitierte. Den Lehrauftrag für Geschichte der Medizin an der Universität Bonn erhielt Steudel erstmals für das Wintersemester 1942/43. Im Jahr 1946 wurde er außerplanmäßiger Professor und 1957 schließlich Ordinarius für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften.

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Bild von Büste von Johannes Steudel © Rolf Müller/UKB

Als Steudel im Wintersemester 1942/43 nach Bonn kam, musste für die Medizingeschichte zunächst einmal eine geeignete Arbeitsumgebung geschaffen werden. Auf Antrag der Fakultät stellte der Rektor im Universitätshauptgebäude einige zwischen Schlosskirche und alter Aula gelegene Räume zur Verfügung. Mit diesem Zeitpunkt hatte das Fach Medizingeschichte in Bonn erstmals ein eigenes Institut zur Verfügung. Es zählt somit zu den ältesten in Deutschland – neben Leipzig (1906), Würzburg (1921), Freiburg (1926), Frankfurt am Main (1927), Berlin (1930) und München (1939).

Nach der Einstellung des Lehrbetriebs an der durch Luftangriffe stark beschädigten Bonner Universität und der späteren Wiedereröffnung der Universität zum Wintersemester 1945/46 suchte Steudel nach neuen Räumlichkeiten für das Institut, in denen er die Lehrtätigkeit wieder aufnehmen konnte. Im Juni 1946 erhielt das Medizinhistorische Institut die drei Erdgeschoßräume in dem universitätseigenen Gebäude Reuterstraße 2b. Nach weiteren Umzügen und langjährigen Bemühungen konnte schließlich am 9. September 1968 der für das Institut geplante Neubau auf dem Venusberg bezogen werden. In diesen Räumen begründete Steudel, die Leipziger Tradition weiterführend, eine medizinhistorische Schule, die sich u.a. mit antiker Heilkunde, Medizin des Mittelalters, Anatomie der Renaissance und Hospitalgeschichte beschäftigte.

Ein einmaliges Gebäude

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Ehemaliges Medizinhistorisches Institut am Universitätsklinikum Bonn © Rolf Müller/UKB

Das Gebäude beherbergte das Institute for Medical Humanities (ehemals Medizinhistorisches Institut) und stellte bis zum Abriss 2023 ein einmaliges architektonisches Konzept dar. Es wurde gezielt für die medizinhistorische Forschung und Lehre konzipiert. Hier standen ein eigener Hörsaal und ein Seminarraum, Arbeitsräume für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein Leseraum mit Nachschlagewerken und Handbüchern zur Verfügung. Auf zwei Etagen waren dort auch die Bibliotheksbestände untergebracht. Die medizinhistorische Forschungsbibliothek hatte ihr thematisches Spektrum um Literatur zu medizinischer Ethik und Global Health deutlich erweitert.

Das ehemalige Gebäude des Institute for Medical Humanities zeichnete sich durch sein repräsentatives Atrium und den im Zentrum gelegenen Innenhof aus. Es war ein Ort, an dem sich Gedächtnis und Gewissen, d.h. Geschichte und Ethik der Medizin gegenseitig befruchteten – an dem also aus dem historischen Bewusstsein über die Zukunft reflektiert wurde. 

Von den 1970er-Jahren bis heute 

Die unter Johannes Steudel gewachsenen Sammelschwerpunkte des Instituts fortzuführen und weiter auszubauen, entsprach dem Selbstverständnis seiner Nachfolger. Nikolaus Mani leitete das Institut nach Steudels Emeritierung ab 1971. Der gebürtige Schweizer promovierte in Basel mit einer Dissertation zur Geschichte der Leberforschung, die zu den grundlegenden Werken der Medizingeschichtsschreibung zählt. Nach seiner Habilitation 1964 in Basel, wo er Mitarbeiter der Abteilung für Medizin und Naturwissenschaften der Universitätsbibliothek war, folgte er einem Ruf nach Madison/Wisconsin, wo er zunächst als Gastprofessor, dann als Ordinarius an der Medical School lehrte, bis er 1971 nach Bonn berufen wurde.

Sein Nachfolger Heinz Schott schließlich promovierte an der Universität Heidelberg in Medizin und Philosophie und war von 1978 bis 1987 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Freiburg im Breisgau. Er habilitierte sich dort 1982 mit einer Arbeit über Sigmund Freuds Selbstanalyse. 1987 folgte er dem Ruf nach Bonn, wo er bis zu seiner Emeritierung das Institut geleitet hat. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte der Psychiatrie, Psychoanalyse und Psychosomatik, die Medizin der Goethezeit (insbesondere Mesmerismus) und die Medizin der frühen Neuzeit (insbesondere Paracelsismus). 

Seit Februar 2017 leitet die Philosophin und Medizinhistorikerin Mariacarla Gadebusch Bondio das Bonner Institut.

Am 15.01.2019 stimmte das Rektorat der Universität Bonn der Umbenennung des „Medizinhistorischen Instituts“ der Medizinischen Fakultät in „Institute for Medical Humanities“ (IMH) zu.

Literatur zur Institutsgeschichte

Forsbach, Ralf: Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn im ‚Dritten Reich‘, München 2006, S. 322-332.

Kümmel, Werner Friedrich: Im Dienst ‚nationalpolitischer Erziehung‘? Die Medizingeschichte im Dritten Reich. In: Meinel, Christoph und Voswinckel, Peter (Hrsg.), Medizin, Naturwissenschaft, Technik und Nationalsozialismus. Stuttgart 1994, S. 295-319.

Nettekoven, Gabriele: Medizingeschichte an der Universität Bonn und die Gründung des Medizinhistorischen Institutes. In: Schott, Heinz (Hrsg.): Medizin, Romantik und Naturforschung. Bonn: Bouvier 1993, S. 144-153.

Schipperges, Heinrich: The Institute of the History of Medicine at the University of Bonn. In: Journal of the History of Medicine and Allied Sciences 13 (1958), S. 410-411.

Schott, Heinz: Medizingeschichte in Bonn: das Medizinhistorische Institut der Universität. In: Bonner Universitätsblätter 25 (1992), H. 186, S. 17-18.

Schott, Heinz: Universitätskliniken und Medizinische Fakultät Bonn 1950-2000, Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Neuanfangs auf dem Venusberg. Herausgegeben von Heinz Schott, Bonn 2000, hier insbesondere S.110-115.

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